Verfasst von: Edwin Platt | 27. Oktober 2013

Marte Meo, einfach aber nicht leicht.


DSC_1102pPDie Niederländerin Maria Aarts stellte sich in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts  die Frage: Was machen Eltern, deren Kinder sich gut entwickeln? Aarts stellte sich die Frage, weil sie als Kinderpädagogin häufig beobachten musste, dass gut gemeinte Beratungsgespräche mit Kind und Eltern, auch wegen der üblichen pädagogischen Fachsprache, kaum wirkten. Heute zieht die daraus entwickelte Marte Meo Methode nicht nur in bremische Demenzabteilungen ein.

Von Edwin Platt

Osterholz. Birgit Ulma, vom Norddeutschen Marte Meo Institut, steht, mit der Fernbedienung in der Hand, im kleinen Saal des Stiftungsdorfs Osterholz, in das Petra Scholz von der Bremer Heimstiftung einlud. Wie gebannt blicken weit über zwanzig Augenpaare auf den Bildschirm. In der Veranstaltung „Marte Meo – Praktische Unterstützung für Menschen mit Demenz“, laufen Bilder die Johannas Papa zeigen wie er das Baby wäscht über den Monitor und das fesselt die Blicke. „Sehen sie hier und vor allem hören sie. Johanna sagt „äh“ und ihr Papa wiederholt „äh“ er geht dicht ran und schaut sie an. Jetzt gehört ihre Aufmerksamkeit ihm“. Die Szene stoppte Birgit Ulma nach wenigen Sekunden, damit jedes Wort, jede Bewegung, jeder Blick, jede Aktion und jede Re-Aktion beachtet werden kann. „Das ist nichts Neues, aber Marte Meo sagt uns, wie wichtig die erste Kontaktaufnahme ist“.

Papa sagt: „Wir Waschen jetzt dein Gesicht“, zu Johanna, als er ihr den Lappen zeigt. „Erst dies Auge, dann das andere Auge, Nase, Kinn“. Ulma: „Johanna lernt dabei Ihren Körper zu benennen und bekommt ein Gefühl für die Teile ihres Körpers, das ist bei demenziell Erkrankten ebenso wichtig“.

Als die wenigen Szenen der Waschung, in einer dreiviertel Stunde, kommentarreich vom Publikum und Birgit Ulma erörtert sind, startet Ulma eine Videoaufzeichnung über die Waschung einer Demenzpatientin durch ihre Pflegerin, die ebenso harmonisch abläuft. Die starken Parallelen verblüffen. „Diese Demenzpatientin war ein schwieriger Fall. Sie galt als aggressiv“, erklärt Ulma und Petra Scholz erzählt Bremer Erfahrungen: „Wir haben einen Demenzpatienten der, selbst groß und massig, das Anziehen und Waschen verweigerte. Manchmal waren zwei Pflegekräfte nicht genug, um ihn nicht verwahrlosen zu lassen. Eine zierliche Pflegerin hatte bereits Angst vor ihm entwickelt und die Pflegekräfte litten unter den Situationen der Auseinandersetzungen ebenso wie der Herr. Mit Marte Meo, ist es gelungen, das er sich unter Anleitung selber anzieht. Wenn er ein Hemd anziehen sollte, wusste er gar nicht wo es hingehörte, Oben oder Unten und schon gar nicht wo der Arm reinmusste. Das machte ihn aggressiv“.

„Wie weit das Körpergefühl verloren gehen kann, zeigte uns auch der einfache Satz: „Was, so weit weg“, eines Bewohners dem die Pflegekraft mit den Worten beim ins Bett gehen Orientierung geben wollte: „Dahin den Kopf und dahin die Beine“. Der Bewohner hatte kein Gefühl für seine eigene Länge“, so Petra Scholz, eine Alltagssituation beschreibend die leicht zu einem Machtspiel zwischen Sorgendem und Demenzerkranktem führt.

Als das Video der Waschung des Gesichts, dem freimachen des Oberkörpers und dem Waschen von Hals, Armen und Achseln endet, ist der erste und erwartete Einwand aus dem Publikum: „Dafür muss man Zeit haben und die fehlt heute überall“. Ulma startet das Video neu. Ohne Diskussion dazwischen vergehen gemessen nur gut drei Minuten vom Eintreffen der Pflegekraft bis ein frische Hemd angezogen wird. „Ja, aber wenn sie ihr Bremer Beispiel nehmen, mit dem schweren Mann“. Darauf entgegnet Petra Scholz: „Sie haben recht, mit den Zeiten der Minutenpflege ist manches nicht zu machen, aber früher waren zwei bis drei Pflegekräfte bei dem Mann und heute ist es eine“.

Birgit Ulma, unterrichtet anhand persönlicher Video Aufzeichnungen aus dem Pflegealltag die Marte Meo Methode, die die positive Kontaktsuche zum Pflegenden und den erklärenden Umgang für ein positives Miteinander einsetzt. „Wichtig ist auch das Tempo“ sagt Ulma: „viele brauchen etwas länger als wir es gerne hätten“.

Eine wichtige Frage richtet sich an Petra Scholz: „Gibt es Möglichkeiten für Angehörige in Bremen Marte Meo zu lernen“? „Noch nicht, wir bilden weiter aus und erste Mitarbeiter können bald selbst ausbilden“.

„Marte Meo ist mit diesen einfachen Beispielen nicht erschöpft“, beendet Birgit Ulma den Abend: „Prothesenträger mit wundem Kiefer verweigern oft die Zahnreinigung, auf die der Zahnarzt gerade dann so viel wert legt. Das angeleitete selber Putzen ist mit Marte Meo oft möglich“.

Kontakt: Bremer Heimstiftung, Marcusallee 39, Telefon: 24 340. Kontakt: Norddeutsches Marte Meo Institut (NMMI), Davidsweg 63, 26817 Rhauderfehn, Telefon: 04952/896733, E-Mail: mail@nmmi.de                             


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