Verfasst von: Edwin Platt | 13. Dezember 2011

„Schlag auf Schlag“ Rock and Roll in Bremen


Von Edwin Platt

Im City 46 Kino leben die Ursprünge des Bremer Rock and Roll auf. Die Eröffnungsveranstaltung zu einer Veranstaltungsserie dreht sich um das Buch von Detlef Michelers „Schlag auf Schlag“ und die darin behandelte Zeit von 1954 bis 1968“ in Bremen. Im Diskussionsteil,

kein bisschen leise

den Detlef Michelers mit Zeitzeugen moderiert, begleiten Larry and the Handjive, die ehemalige Hausband des legendären Beat-Club, den Abend, an dem um elf Uhr ein historischer Stein des Anstoßes auf der Leinwand gezeigt wird. „Rock around the Clock“ der Film mit Bill Haley.

Der Kinosaal des City 46 liegt im Schummerlicht. Vor der Leinwand sitzt Detlef Michelers Autor des im Oktober 2010 erschienen Buches „Schlag auf Schlag“ und kündigt zur Einstimmung auf den Abend um die Bremer Rock and Roll Geschichte original Filmsequenzen und Musik an. Straßenszenen in schwarz weiß, hastig flüchtige Jugendliche, getrieben von Polizisten huschen über die Leinwand, dazu hämmern harte Beats aus den Lautsprechern, schließlich erklingt „Rock around the Clock“ von Bill Haley und the Comets. Damit fing es an. Bilder und Musik versetzen das Publikum zurück an die Anfänge der sechziger Jahre. Damals griff der Rock and Roll mit völlig unerwarteter Vehemenz in Bremen um sich. Manche Jugendliche erleben ihren Ausbruch aus den Zwängen der geordneten Nachkriegsjahre in der Bremer City. Die wilde Musik geht den Jungen in die Beine und prägt bei gesetzteren Herrschaften den Begriff „Negermusik“. Was die Jugend begeistert, trifft auf Ablehnung durch ihre Eltern und vor allem auf Ablehnung durch die öffentlichen Instanzen, wie der Polizei. Als Bill Haleys „Rock around the Clock“ im Kino in der City läuft, kommen die nun als „Halbstark“ titulieren in Hochstimmung und die Polizei bringt einen ersten Wasserwerfer zum Einsatz. „Jugendliche Gruppen verhalten sich auffällig unangepasst nach dem Kinobesuch und sollen per Wasserwerfer auseinandergetrieben werden. Sie laufen an der Oper vorbei, gerade als die Operngäste in ihren hochfeinen Garderoben auf die Straße treten. Die Szene ertrinkt in Fluten aus dem Wasserwerfer. „Es hageln heftige Beschwerden der Operngäste an die oberste Polizeiinstanz,“ erzählt Detlef Michelers. Klammheimliche Freude auf der anderen Seite ist zu vermuten. Michelers bittet Zeitzeugen aus der ersten plüschroten Sesselreihe an seine Seite. Heinz Dieter Hashagen, kurz Hascha genannt, ist ex Mitglied der Bremer Rockband Yankees. Hautnah hat er den Übergang von Biederkeit zur Hottentottenmusik miterlebt und mitgestaltet. In seinem Rückblick sagt er gelassen: „Ich war im Domchor, das darf man jetzt ja sagen.“ Die Yankees tourten Ende der Fünfziger durch Bremer Klubs und heizten ordentlich ein.

Rocker

Hascha: „Die erste Reihe wippte so lange, bis alle Stühle der ersten Reihe lose waren. Dann war mehr Platz zum Tanzen.“ Haschan weiter. „Mein Vater brachte US-Schallplatten von Seereisen mit, er fand die Musik toll.“ Dann erzählt Haschan, wie er zum Rock and Roll Gesang kam: „Als bei einer Bustour der Fahrer mal raus musste, sang ich „Susi Baby“ ins Fahrermikrofon. Das fanden die Mädchen Klasse.“ Annemarie Mevissen war zu der Zeit Senatorin für Jugendwesen und ließ in den Bremer Jugendeinrichtungen Rock and Roll Musikveranstaltungen zu, ebenso wie einige kirchliche Einrichtungen. „Was sagen die Leute dazu,“ war eine typische Elternfrage zu dieser Zeit. Dem Stand gegenüber: „Wer feiern kann, der kann auch arbeiten.“ Als Michael Leckebusch den ersten Beat-Club 1965 mit den Yankees und dem deutschsprachigen Song „Halbstark“ eröffnete kamen die Yankees zu Ruhm. Die Bremer Klubs öffneten dem Rock and Roll mittwochs und an den Wochenenden ihre Türen. Freilich nur von 18 bis 23 Uhr, denn danach fuhr kein Bus mehr die Gäste nach Hause. Die Yankees benutzten bei letzten ihrer Auftritte ein umgebautes Radio mit 100 Watt zur Verstärkung, das war der absolute Hammer. So etwas hatte keine andere Band in Bremen. Gisela Böhl sitzt jetzt bei Detlef Michelers. Damals „Küken“ genannt. „Ich wurde bei Razzien aus dem Klo-Fenster geschupst oder ich verkroch mich unter dem Podest der Band. Um zehn nach Haus, das war gar nicht drin. Draußen stand immer einer der mich auffing.“ Erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres konnte man nach 22 Uhr im Klub bleiben. Ab 1954 eroberte sich der Rock and Roll die Welt. Bis er in Bremen ausbrach, sind die Sechziger angebrochen. An Bremens Schulen herrschte ein weitgehendes Hosenverbot für Mädchen. Gisela Böhl „Küken“: „Meine erste Jeans habe ich enger genäht und in der Badewanne angehabt, bevor ich mir den Rüffel in der Schule abholte.“ Keith Richards von den Rolling Stones sagte später: „Es gibt eine Zeit vor „Hard Brake Hotel“ (1956 von Elvis Presley) und eine Zeit danach.“ Bill Clinton sagt: „Nur Kakerlaken können einen Atomkrieg überstehen und Keith Richards.“ Das war wesentlich später als die Rockbewegung in Bremen, ähnelt jedoch gängigen Begriffen jener Zeit wie „Halbstarke“, „Negermusik“ oder „Hottentottenmusik“. Deutschland ist in Vollbeschäftigung und wirbt aus Italien Gastarbeiter an, tritt 1955 in die NATO ein und rekrutiert 1956 ihre ersten Bundeswehrsoldaten. Eine spießige, enge Zeit für Jugendliche, schafft sich Raum. Durch Seefahrer bekommt die Hafenstadt Bremen Musik aus aller Welt geliefert. Radiosender meiden die Negermusik, noch. Erst zehn Jahre später genehmigt Radio Bremen die Produktion und Ausstrahlung des Beat-Clubs. John O’Hara and his Playboys aus Sheffield, das Mädchenquartett The Livebirds aus Liverpool und die Yankees aus Bremen dürfen auftreten. „Halbstark“ ist der erste große Erfolg der Yankees und gleichzeitig läutet er das nahende Ende der Band ein. Mit dem Beat-Club werden Larry and the Handjive bekannt. Die Stammband des Beat-Club steht für Detlef Michelers Abend im City 46 immer wieder aus der ersten Plüschreihe auf und rockt die altbewährte Songs: „Roll Over Beethoven“, Sweet littel Sixteen“, „Shakin All Over“, A Water Shade of Pale“ heizen die Erinnerungen im City 46 auf. Wechselnde Veteranen auf dem Podium, längst ihrer jugendlichen Lockenköpfe entledigt und mit dem hohen Haaransatz angepasstem Kurzhaarschnitt, wippen die Beine und singen unvergessene Texte mit. Schließlich, bei den letzten Rockfetzen von Larry and the Handjive vor elf Uhr ergreift der Rock and Roll die Fans aus der ersten Sitzreihe. Alte Beine werden Jung und Tanzen vor der Stuhlreihe wild und heiß wie vor 50 Jahren. Früher schlossen die Bremer Klubs um diese Tageszeit ihre Türen, heute beginnt um elf Uhr der Originalfilm „Rock around the Clock“.


Antworten

  1. Das like Button Plugin waere toll. Oder habe ich es nicht gefunden?

    • Am Ende des Artikels gibt es den Punkt „gefällt mir“


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