Verfasst von: Edwin Platt | 28. Juni 2013

Sieben Prinzessinnen


IMG_0613pAls sich für „sieben Prinzessinnen“ auf der Bühne des Bürgerzentrums Neue Vahr der Vorhang öffnet findet keine Märchenstunde statt. Über einhundert zahlenden Gästen sehen, was innerhalb eines halben Jahres Sinnsuche diese „Prinzessinnen“ neben „Rosa-Kleider-Tragen“ und „Hübsch lächeln“ bewegt hat.

Von Edwin Platt

Neue Vahr. In elf Szenen wie „Kein Aber“, „Auf und davon“ oder „Herzstück“ geht es den Prinzessinnen um ihre Positionen, ihre Unzulänglichkeiten, ihr hübsch sein, ihre Suchen und ihr gefunden werden, gegenüber Müttern, dem Freund, der Gesellschaft, oder ist es doch gleich ihrem gesamten Leben gegenüber.

Dunkel liegt der Saal. Klaviertöne klingen wohltemperiert, als Scheinwerfer sehen lassen, die eine da liest stumm im Brief, eine dreht den Gartenzwerg während sich die neben ihr auf der Gummimatte räkelt. Da trägt eine Ohrhörer und schaut zu der auf dem Sockel. Eine blaue Muschel öffnet sich und die Muschelprinzessin beachtet die mit der Stola. Mädchen, Prinzessinnen, zeigen sich ihrer Kindheit entrückend. Doch wohin entrücken? Möchten sie zu Königinnen werden? Wo ist ihr Platz, ihre Position? Alle sind gleich, gleich individuell. Sie tragen einfarbiges oben, schwarz unten. Jede könnte die Andere sein.

Sieben Zwerge, sieben Berge, sieben Prinzessinnen. Sieben Schicksale. Sieben Charaktere, vielleicht. Worte reklamieren: „Du sollst um acht zu Hause sein“. „Mach die Gardine zu, wenn du dich umziehst“. Die Worte können jede treffen und begrenzen. Doch Sehnsucht treibt die Prinzessinnen. Sehnsucht auf die anderen Seiten ihrer Schranken, ihrer Uniformität, ihrer Kindheit.

„Der Typ ist klebrig. Ich will den nicht mehr. Ich hab zwar versprochen, aber “. „Schule, Studium, Ausbildung? In London, Lissabon oder New IMG_0619pYork? Klamotten von Primark oder Kik? Wir haben so viel Auswahl. Der Schwache zweifelt vor der Entscheidung, der Starke danach“. Die Szenen wechseln bei gleicher Kulisse, bei gleichen Prinzessinnen. „Ich hab T-Shirts und Hosen gepackt. Will was erleben. Strand, Berge, Australien, seltene Tiere. Ich will los“. „Aber es gibt Krankheiten, Schneelawinen, wilde Tiere. Geh nicht allein“. Guter Rat lauert auf sie überall.

War jede für sich, lebte jede für ihr persönliches Schloss, finden die Prinzessinnen jetzt zaghaft zur Musik des „Air“ von J.S. Bach zum Kontakt. Finden Berührung zueinander, schnipsen sich an. Ein lautes „Die ist Fett“, kippt diese Annäherungsszene ins Aggressive. „Bitte nicht lästern, sie kommt gleich“ säuselt eine Schlichterin, „Ich lästere nicht, ich stelle fest“. Wird so aus der Prinzessin die Königin, durch sich behaupten? Verhaltensspielereien sind erlaubt, sind Suche, loten aus: will ich die sein oder eine andere.

Für die Prinzessinnen der Wahlfreiheit Farina Kemp, auf Wahrheitssuche Kyra Heywinkel, mit einem Schuh Ilayda Petzuk, mit der Erbse Kübra Tekin, aus dem Reich des Meeres Caren Sausmikat, dem Land der Schönheit Gülsah Rauhut und des Turmes Züleyha Gökcen, braust nach elf Szenen und einer knappen Stunde stürmischer Applaus aus den Stuhlreihen. Nuray Serin und Ruth Große-Wilde, beide Projektleitung, bedanken sich mit ihren Prinzessinnen von der Bühne herab.

Schnell, sehr schnell, verging die Zeit bei den Prinzessinnen, ihren Szenen und ihren Suchen. Da gab es Anlass zu protestieren, die Qual der Wahl, sei es der Freund, die Klamotten, die Ausbildung oder die ganze Welt. Das eine Konzept zum erwachsen werden gibt es nicht. Wie heißt es in einer Szene: „Will der Schmetterling denn wieder Raupe werden“.

Die Szenencollage „7 Prinzessinnen“ im Bürgerzentrum Neue Vahr wurde gefördert durch WIN (Wohnen in Nachbarschaft). Bürgerzentrum Neue Vahr, Berliner Freiheit 10, Telefon 436 73 43, Mail kultur@bzvahr.de, http://www.bzvahr.de


Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kategorien