Verfasst von: Edwin Platt | 14. März 2014

Rainer Iwersen der gestenreiche liest Thomas Bernhards schrullige Seiten.


 

IMG_1490p40 Zuhörer drängen sich zwischen zum bersten gefüllten Bücherregalen. Rainer Iwersens Brille ist geputzt und das Wasser sprudelt noch, als Iwersen das kleine Bändchen „Meine Preise“ von Thomas Bernhard in der Buchhandlung im Ostertor zur Hand nimmt, IMG_1476pdas erst nach dessen Tod 2009 erschienen ist.

Von Edwin Platt

Ostertor. Iwersen, Stadtbekannter Schauspieler mit warmem Alt und gestenreichem Vortrag, hat vier Geschichten um die Preisverleihungen an Thomas Bernhard aus dem Taschenbuch ausgewählt, das ihm die Heinrich Böll Stiftung vorgeschlagen hat, denn mit der Unterstützung der Stiftung soll es mehrfach Lesungen in der Buchhandlung im Ostertor bei Mario Bernabeo und Andreas Haufe, den Inhabern, geben.

Thomas Bernhard, gestorben 1989, war österreichischer Schriftsteller und erhielt neben vielen weiteren 1970 den Georg-Büchner-Preis und den Literaturpreis der Freien und Hansestadt Bremen (1965 für den Roman Frost). Er zählt zu den bedeutendsten österreichischen und IMG_1478pdeutschsprachigen Autoren, auch wenn er eher ein Leben abseits wählte und bei offiziellen Anlässen seine Wahrheitsliebe anführte, die Schuld daran sein sollte, wenn er brüskierte und Empörung hervorrief. Nach vielen Skandalen hinterließ er testamentarisch bei seinem Tod IMG_1482pim Februar 1989 ein allgemeines Aufführungs- und Publikationsverbot seiner Werke für Österreich. Sein Erbe Peter Fabjan lockerte diese Bestimmungen.

Rainer Iwersen liest davon wie Bernhard den Julius Campe Preis zu einem drittel, umbenannt in IMG_1483pArbeitsstipendium, erhielt. Juroren konnten sich nicht einigen, so wurde das Preisgeld von 15.000 DM gedrittelt wird. Voller Stolz wundert sich Bernhard in der Heimat Österreich darüber, warum ihn nicht gleich alle Österreicher auf den Hamburger Preis ansprechen. IMG_1484pEr erklärt daraufhin ungefragt jedem seinen Preis und dessen besondere Wichtigkeit. Österreicher interessiert das 1964 kaum. Eine Szene die Iwersen wie viele folgende zu Betonungen und gestikulieren einlädt. Bernhard reist per Zug nach Hamburg, residiert fürstlich im Hotel an der Binnenalster und geht als Spaziergang zur vereinbarten Zeit um die Alster zum Verlagshaus um sich beim Verlagsleiter zu melden. Der nimmt den Scheck, unterzeichnet und gibt ihn Bernhard. Nichts, keine Feier? Bernhard erwartete sie und wäre vorbereitet. Ein Mittagessen im Restaurant zu zweit mit dem Verlagsleiter hilft über die Peinlichkeit hinweg. Iwersen zelebriert die Zeilen.

IMG_1485pIm Hotel wartet der erste Interviewtermin in der geliebten Großstadt Hamburg auf Bernhard. Wie in Trance durchlebt er das Interview, wo ihn üblich große Aufregung bei wichtigen Anlässen erfasst. Entsetzt ist Bernhard vor der Abreise vom Foto, vom Interview und von seinen Antworten in der Großstadtzeitung. In Wien angekommen, geht Bernhard entgegen jeder Gewohnheit in ein feines Autohaus und kauft spontan für genau 5000 Mark ein Triumpf Herald Cabriolet in weiß mit roten Sitzen, das er sofort mitnimmt oder geht. Der über Bernhard verzweifelte Verkäufer sagt schließlich zu und muss das Auto vor die Tür stellen während Bernhard spazieren geht, weil Bernhard Angst hat das Auto rangierend herauszufahren. Bernhard hat nur den LKW-Führerschein gemacht weil er in Afrika Hilfe leisten wollte, woraus nichts geworden war. Bernhard lässt sich die Papiere geben und fährt erstmals im Leben PKW. Er fährt den ganzen Tag und die ganze Nacht, ist glücklich und denkt das ist alles für meinen „Frost“.

Wenig später fährt Bernhard mit Hedwig Stavianicek, die er öfters als Tante erwähnt, nach Jugoslawien. Nach einem unverschuldeten Unfall, flüchtet der Gegner mit seiner Frau. Bernhard wird im Krankenhaus blutüberströmt am Kopf genäht. Der Triumpf ein Schrotthaufen, was sein Wiener Autohaus bestätigt, das ihm ihren Anwalt empfiehlt, der eine noble Praxis führt und den Bernhard beauftragt. Mittellos hört er immer wieder „Jugoslawien, Ha, da siehst du nie Geld“ und „Oh, der Anwalt ist teuer“. Schade denkt Bernhard, ich bin erst 1200 Km gefahren, bevor er dem Anwalt nach kurzem den Auftrag kündigen will. In der Kanzlei empfängt der Anwalt ihn und erklärt unvermutet: „Es ist alles erledigt“. Er bekommt Geld für einen neuen Herold, dazu Schmerzensgeld und Geld für so exquisite Wäsche, wie er sie noch nie besessen hat. „Der Scheck liege bereit“, so der Anwalt.

Rainer Iwersen liest zwei weitere Geschichten die tiefem Ehrlichkeits- und Wahrheitsempfinden von Thomas Bernhard verpflichtet sind und daher fast groteske zu geschilderten Ereignissen stehen mit Tiefe und Lebendigkeit vor, so das jedem Hörer schmunzeln, lachen und hohes amüsiert sein im Gesicht geschrieben steht. Weiter und weiter lauschen alle. „Wollt ihr noch die über Bremen“, bleibt rhetorische Frage von Iwersen ans Publikum, bevor er beginnt seine markante  Stimme zu heben und mit den Händen ganze Theaterstücke aufzuführen. Seite 32, dort beginnt die Bremer Preisgeschichte Bernhards. Unter Existenzangst und vielfach verschuldet kommt Bernhard nach Bremen um, aus seiner Sicht in einen dieser marode miefigen Altbauten, von Herren mit schweren Goldketten, die kaum eine Ahnung von Literatur besitzen, den 10.000 Mark Preis zu erhalten. Bernhard kauft davon bei einer Besichtigung den Vierkanthof von einem Makler in dichtem Nebel, also ohne die Umgebung gewahr zu werden und in völlig desolatem Zustand weil der Hof lange leer stand ohne einen Interessenten anzusprechen. Bernhard noch mehr Schulden.

Autorenlesung, Wolfgang Schorlau, am Mittwoch, 26. Februar, 20 Uhr im Buchladen im Ostertor. Der stuttgarter Autor der „Dengler-Krimis“ ließt aus Dengler-Krimi“. Thomas Bernhard „Meine Preise“, Suhrkamp Verlag, 138 Seiten, 8 Euro.          


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