Verfasst von: Edwin Platt | 19. Februar 2011

Tierliebe ist Ehrenamtssache


Von Edwin Platt
Findorff. In Bremen streunen viele Katzen herrenlos durch die Stadt. Ist eine der Katzen oder ein anderes herrenloses Tier verletzt, ruft ein Besorgter gerne die Polizei. Dort erhält er häufig die Notdienst-Nummer des Tierschutzvereins. Brunhild Olsen nimmt die Gespräche an. Sie hilft gerne. Mit 15 weiteren ehrenamtlichen Kollegen wechselt sie sich an den Wochenenden ab. In jeder Schicht arbeiten sie zu zweit. Einer fährt zu den Tieren, wenn das nötig ist. Brunhild Olsen bleibt immer am Telefon. Das hat einen Grund, den keiner vermuten würde, der das ausgefüllte Leben der Tierschützerin kennt.
Die Mahndorferin fährt mit Bus und Bahn fast täglich ehrenamtliche Dienststellen aus Tierliebe ab. Dienstags und donnerstags von 11 bis 18 Uhr und sonnabends von 10 bis 13 Uhr verkauft Olsen im Tierschutz-Shop in der Münchener Straße gebrauchte Kleidung und Utensilien für die Tierhaltung. Längere Öffnungszeiten sind mit dem vier köpfigen Team des Shops nicht zu schaffen. Der Erlös des Shops kommt dem Tierschutz zugute. Häufig fährt Olsen nach ihrem Dienst im Shop ins Tierheim in der Hemmstraße um sich dort Tieren zu widmen oder etwas für die Öffentlichkeitsarbeit des Tierschutzvereins zu erledigen. Die selbstbewusste und agile Olsen ist auch noch und schon seit 16 Jahren im Deutschen Tierschutzbund des Landesverbandes Schleswig Holstein im Vorstand aktiv und möchte es noch drei Jahre bleiben. Dann läuft Ihre Amtszeit im Vorstand aus. Dieses Amt hält ihre Verbindung mit ihrer alten Heimat Schleswig Holstein aufrecht. Brunhild Olsen ist von Schleswig Holstein, aus einem Ort in der Nähe von Rendsburg, kommend 2005 nach Bremen gezogen. Hier kann sie alles mit dem Nahverkehr erreichen. „Dörfliches Leben ist ohne Auto schwierig“, sagt die spät erblindete Olsen zurückschauen.
Eine ihrer Freundinnen war damals Pressesprecherin des Bremer Tierschutzbundes. Das war ein persönlicher Grund sich nach Bremen zu orientieren und sich beim Tierschutzbund Bremens zu engagieren. „Bremen gefällt mir besser wie Hamburg“, sagt sie. „Wo Hamburg schön ist, ist es teuer. Bremen ist ein Dorf mit Straßenbahn, das macht für mich den Charme der Stadt aus. Ich kann mich in der Straßenbahn gut orientieren. Mit der Hamburger U-Bahn komm ich nicht zurecht. Im Tunnel weiß ich nicht, wo ich bin.“ Ihr Rest Sehfähigkeit liegt bei fünf Prozent. Es sind die Folgen einer Netzhauterkrankung. Ihr Sehvermögen ist sehr von ihrer Verfassung und den Lichtverhältnissen abhängig. Die über fünfzig jährige Groß- und Außenhandelskauffrau fand keinen Arbeitgeber mehr, der ihr einen Arbeitsplatz eingerichtet hätte, der Ihrer Behinderung entspricht.
Auf Bremens Fußwegen geht sie mit einem weißen Langstock. Den Autoverkehr kann sie gut hören und einschätzen. Ungeschützt ist sie vor Radfahrern, die sie nicht hören kann. Erst kürzlich fuhr ein Radfahrer den Hund an, den sie an der Leine ausführte. Zum Glück ohne schwere Folgen, aber auch ohne „Entschuldigung“.
Kommt sie von Ausflügen aus dem hohen Norden zurück, hört ihre Natur liebe nicht an Ihrer Haustür auf. Da schnurrt die Katze hinter der Tür und ein Garten muss sein. Ihr Sohn Olav kommt wöchentlich aus Ride zu Besuchen und ist damit beschäftigt das Unkraut zu Zupfen wenn es sprießt. Olsen selbst könnte nicht mehr unterscheiden, was sie zupft. Das Vergnügen der Frucht und Beerenernte lässt sie sich nicht abnehmen, auch nicht, wenn sie die Zweige abtasten muss.
Wenn sie mit dem Bus 28 die Station Wetterungsweg erreicht hat, geht sie mit dem Stock vorfühlend ins Tierheim und spricht sich häufig mit Brigitte Münch der Tierheimleiterin ab. „Sie hat für jedes Problem eine Lösung“, sagt Olsen über Münch sehr anerkennend. Brigitte Münch ist nicht nur für fast 500 Katzen, zig Hunde, etwa 300 Kleintieren wie Hamstern oder Meerschweinchen, Hühnern, Gänsen, Enten, zwei Rhesusaffen, Pferde und Hängebauchschweine im Heim verantwortlich, sie kümmert sich auch um die etwa 25 festen Mitarbeiter und etliche freiwillige Helfer. Helfer sind Beispielsweise die sogenannten „Gassi Geher“, wobei das Tierheim für Ihre Schützlinge anspruchsvoll ist. Das Streicheln der Katzen ist ohne „Führerschein“erlaubt, für das Gassi Gehen mit Hunden wird die Teilnahme an einem Seminar mit theoretischer und praktischer Prüfung vorausgesetzt und die Hunde werden nach Gesichtspunkten der Eignung von Hund und Führer füreinander von den Pflegern ausgesucht.
Hat jemand sein Herz für Tiere entdeckt, rät Brunhild Olsen voller Überzeugung: „Bevor sie woanders ein Tier kaufen, gehen sie ins Tierheim und erkundigen sie sich hier.“ Die Beratung ist sehr offen und ehrlich. Über bestehende Krankheiten und laufende Kosten der Tiere wird eingehend Auskunft gegeben. Einer Empfehlung zum neuen zu Hause der Tiere und die Auskunft zur Biografie der Tiere, soweit bekannt, sind Standard. Die Kaufpreise liegen bei 110 Euro für einen Hund, 80 € für eine Katze und 20 bis 25 Euro für ein Kleintier. Nicht müde erzählt Olsen noch vom Film „Tiere brauchen Menschen“, einer Dokumentation über das Tierheim, der im CinemaxX lief und beim Tierschutzverein, im Tierheim und im Tierschutz-Shop für fünf Euro zu erwerben ist. Dann macht Brunhild Olsen sich durch das trübe Wetter, das sie spürt, aber nicht sehen kann, auf den Weg zur Haltestelle des 28. Busses und weiter nach Mahndorf, zu ihrer Katze mit der sie den Abend verbringt.
Bremer Tierschutzverein, Hemmstraße 491, Telefon 35 22 14.
Notruf am Wochenende 0151 / 26 39 35 13
Tierschutz-Shop Münchener Straße 117, Telefon 0170 874 63 43, Dienstag und Donnerstag 11 bis 18 Uhr, Sonnabend 10 bis 13 Uhr.


Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kategorien